Das Arbeitszeugnis –
(k)ein Buch mit sieben Siegeln?
Dr.
Ruedi Wunderlin gibt im Interview einen Überblick über die wichtigsten Aspekte,
die es in Hinblick auf ein Arbeitszeugnis zu beachten und wissen gilt.
Herr Wunderlin, lange
Zeit galten Arbeitszeugnisse als verbindliches Dokument für den potenziellen nächsten
Arbeitgeber. Für wie zeitgemäss halten Sie Arbeitszeugnisse? Schauen
Arbeitgeber nicht eher auf Erfahrungen und verschaffen sich einen Eindruck von
der Persönlichkeit des Bewerbers?
Arbeitszeugnisse sind nach wie vor wichtige Dokumente. Sie ergänzen auf ihre
eigene Weise einen Lebenslauf und sind daher komplementär zu anderen Prozessen.
Für einen umfassenden Gesamteindruck spielen sie in diesem Sinne eine bedeutende
Rolle. Ich sehe eine grosse Chance für Bewerber darin, dass der ehemalige
Arbeitgeber die Qualitäten des Mitarbeiters sowie die spezifischen Tätigkeiten
und Erfahrungen mit den markt- und kundenbezogenen Anforderungen und
entsprechender Performance aufzeigt.
Welche Aspekte sind wichtig
zu erwähnen?
Kurz
und knapp sollte alles Relevante in Bezug auf das Tätigkeitsfeld des
Mitarbeiters erwähnt werden. Hierzu zählen Leistungen, die Art und Weise, wie
er Aufgaben erledigt, das Verhalten im Team und den Kunden gegenüber sowie die
Charakterqualitäten, welche seine Persönlichkeit auszeichnen.
Was kann ein
Arbeitnehmer tun, wenn er sich durch die Formulierungen im Arbeitszeugnis
ungerecht beurteilt sieht?
Ich
befürworte zuerst den persönlichen Kontakt mit dem direkten Vorgesetzten, der
Personalabteilung, oder dem übergeordneten Chef zu suchen. Häufig hilft ein
klärendes Gespräch. Kommentare und Inputs sollten hierbei schriftlich
festgehalten werden. Unter Umständen können Mitarbeiter gemeinsam mit dem
Vorgesetzten an entsprechenden Formulierungen für das Arbeitszeugnis feilen. Falls
es aus persönlichen oder anderen Gründen dann trotzdem nicht zu einem
zufriedenstellenden Ergebnis kommt, können im Ernstfall rechtliche Schritte
eingeleitet werden.
Für gewöhnlich wirken
Arbeitszeugnisse auf den ersten Blick ein wenig verklausuliert, da keine offene
Kritik geäussert werden darf. Welche Formulierungen stehen für besonders gute
Leistungen und welche weisen darauf hin, dass der Arbeitnehmer im Auge des
Arbeitgebers eher schlechte Arbeit geleistet hat?
Wenn
der Arbeitgeber aktiv die guten Leistungen des ehemaligen Mitarbeiters erwähnt
und diese vielleicht sogar präzisiert, kann man davon ausgehen, dass die
Angaben der Realität entsprechen. Wenn jedoch im Gegenzug sehr
verallgemeinernde Formulierungen fallen, sollte im Rahmen des
Vorstellungsgesprächs gezielt nachgeforscht werden. Wird „irgendwie“ auf die
Resultate-Erreichung oder die Bewältigung der wesentlichen Jobelemente kaum und
nicht qualifizierend eingegangen, so ist zu vermuten, dass hier möglicherweise
eine „Under-Performance“ vorliegt.
Darf der ehemalige
Arbeitgeber auch den Kündigungsgrund angeben?
Falls
diese Angabe zweckmässig ist, ist das durchaus üblich. Wenn es zum Beispiel zu
einer Reorganisation des Unternehmens kommt, ist das sogar sinnvoll, da der
Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch nicht näher auf seinen Jobwechsel eingehen
und diesen begründen muss. Andererseits sind in aller Regel Formulierungen in
einem Zeugnis zu wählen, die für den Mitarbeiter günstig sind. Sofern keine
wichtigen (z.B. strafrechtlichen) Gründe vorliegen, kann in diesem Sinne auf
die Erwähnung des Kündigungsgrundes auch verzichtet werden.
Haben Arbeitnehmer generell
ein Anrecht auf ein Arbeitszeugnis?
Ein
solides professionelles Unternehmen erfüllt seine Zeugnispflicht, indem es
speditiv dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin zeitnah nach erfolgter
Kündigung ein „taugliches“ Zeugnis verfasst und zustellt. Aktuelle Dokumente
sind äusserst wichtig, damit sich ein Arbeitnehmer effizient am Markt positionieren
und bewerben kann.
Und wie fordert man
sich das Arbeitszeugnis ein, falls der ehemalige Arbeitgeber dieses nicht
zeitnah ausstellt?
Zunächst
einmal höflich anfragen! Falls es zu einer Verzögerung kommt, kann der
Mitarbeiter nachfassen und mit einer Frist von 5 bis 10 Werktagen die
Ausstellung schriftlich oder mündlich verlangen. Im Ernstfall können weitere
Schritte – auch rechtliche – ergriffen werden. Aber für gewöhnlich ist dies
erst in einer wesentlich späteren Phase der Fall, falls es tatsächlich zu
negativen Konsequenzen wegen des ausstehenden Zeugnisses kommt.
Herr
Wunderlin, vielen Dank für das Interview und die ausführlichen Informationen
rund um das Thema Arbeitszeugnis!
Für
weitere Fragen stehen Herr Wunderlin sowie das gesamte Team von Thoma &
Partner als Experten unter der Telefonnummer 041 769 36 36 gerne zur Verfügung.